Hoch zum Rainbow Mountain und zurück durchs Red Valley





Und dann Peru…

Diese Einreise war für mich so richtig großartig.

Es führte mich zu Fuß, nur ein paar Schritte, von dem einen Grenzübergang bis zum nächsten. Also von Bolivien nach Peru…
Ich würde sagen, so wie ein Sprichwort besagt, morgens mit dem falschen Fuß aufzustehen, bin ich mit dem richtigen in das Land eingereist. Dass dieses Land mich einiges an Überwindungen, extremen Gefühlen (gute und auch weniger gute), Tränen, wunderschönen Wiedersehen und ungewollten Abschieden kostet, wusste ich bis dahin, natürlich, noch nicht.

Wir kommen spät Abends in Cusco an. Eine wunderschöne Stadt, die man auch liebevoll ’die Mitte der Welt in den Anden’ nennt. Die charmante Kolonialstadt liegt in den südlichen Sierras inmitten des fruchtbaren Andenhochlandes auf immerhin 3.416 Metern Höhe. Dieses Städtchen ist von Grund auf voller Charme und auch wenn die Lage und die kleinen Gassen gefühlt alle bergauf gehen und man tatsächlich die Höhenmeter spürt, ist es nicht nur selbst ein absolutes Must-See, Cusco gilt auch als idealer Ausgangspunkt für die zahlreichen Inka-Ruinen in der näheren bis weiteren Umgebung, unter anderem natürlich die weltberühmte Ruinenstadt von Machu Picchu. Eine der Touristenhauptattraktionen des Landes.
Was vielen noch nicht im Bewusstsein haben: der Rainbowmountain liegt nicht all zu weit von hier entfernt. Seit 2015 ist er für Touristen sozusagen geöffnet oder zugänglich.
Na, wo drauf will ich hinaus?
Dazu gleich mehr.
Vorerst muss ich noch ein wenig von dieser schönen Stadt schwärmen, In Cusco findet man eine faszinierende Mischung aus den Einflüssen der heutigen Quechua-Indianer und den Zeiten der spanischen Kolonialisierung. So können hier alte Inka-Mauern neben prunkvollen katholischen Kirchen bestaunt werden und als UNESCO Weltkulturerbe ist die Altstadt von Cusco weitestgehend unverändert geblieben und kann sich so ihre ursprüngliche Schönheit bewahren.
Aber um auf den Punkt zu kommen. Ich wäre nicht ich, wenn ich den Rainbowmountain auf dieser Reise nicht mitnehmen würde.
Am 28. November 2018 um 2:30 Uhr werde ich von den lieblichen Tönen meines Weckers aus dem Schlaf gerissen. Sind wir nicht erst vor ein paar Stunden angekommen und haben uns ewig lange durch das Auf und Ab der Gassen gesucht, um unser verstecktes Hostel zu erreichen?!
Aber ich schaffe es, mich möglichste leise, um andere, schlafende Zimmergenossen nicht zu wecken, aus dem Bett zu erheben.
So werfe ich mir einige warme Kleidungsstücke über und mache mich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt, einer dunklen, kühlen Seitenstraße.
Der Mond leuchtet heller als die Straßenlampen und ich warte und warte. Hattet ich doch anfänglich Bedenken, dass ich nicht aus dem Bett komme und die Tour verpasse, stehe ich jetzt da und hoffe, dass sie mich nicht vergessen haben. Denn dieses Vorhaben ist sehr spontan entschieden worden. Am Abend vorher habe ich gebucht, obwohl mir davon abgeraten wurde, es lohnt sich aktuell nicht so die Meinungen der anderen.
Dann fuhr ein kleinen Minibus vor, die Tür ging auf und ein junges Mädchen versuchte meinen Namen auszusprechen, reichte mir eine Decke und gab mir zu verstehen, dass wir noch eine Weile durch die verregnete Landschaft fahren, bevor wir uns den dunklen, nebelbehangenen Bergen nähern.
Nach 1,5 Stunden gab es ein kleines Frühstück und dann ging es gestärkt und etwas wacher weiter. Der Regen lies nach und Nebel hing mystisch zwischen den dunklen Felsen.



Auf dem Weg fuhren wir an einem Fluss entlang der nur durch die Straße von hohen Felswänden getrennt war. Ein steiler Abgrund tut sich auf und ich denke mir noch, dass das Wetter tatsächlich hätte kaum bescheidener sein können.
Doch nach der Dämmerung nehme ich die Landschaft so richtig wahr und es ist kaum vorstellbar: Auf der einen Seite befinden sich dunkle Steinwände, die sich wahrscheinlich berühren lassen, wenn ich das Fenster runterlasse und meine Hand ausstecke, und auf der anderen Seite erblicke ich saftiges grün mit Pflanzen und weidenden Tieren.

Wir Fahren durch ein kleine Kakteenlandschaft, die Natur zeigte sich in herrlichen grün Tönen und auf den Bergen, welche sich ins unendliche erstreckten, grasen Alpakas, Scharfe und Kühe.



Zunehmend steig die Höhe und die Gespräche im Transporter drehten sich viel um den Aufstiegt und ob der Weg zu Fuß oder mit einem Pferd bestritten wird. Etwas mehr als 5000m in die Höhe geht es und wir werden darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, auf die eigene Atmung zu achten, jedoch für den Notfall Sauerstoff zur Verfügung stünde.
Erst da wird mir richtig bewusst, auf was ich mich einlasse.
Noch nie war ich so hoch auf einem Gipfel.
Ob mir die fehlende Erfahrung einen Strich durch die Rechnung macht? Ob ich mich überschätze und lieber auf das mulmige Gefühl hören sollte!?
Am Fuß des Rainbow Mountains angekommen reiße ich mich zusammen, denke mir, wer nicht wagt, der nicht gewinnt und im schlimmsten Fall kehre ich wieder um, steige aus dem Bus und beantworte die Fragen nach Kopfschmerz und Übelkeit mit nein.

Eine kurze Einweisung, dass die Wege nicht verlassen werden sollen, dass jeder in seinem eigenen Tempo geht, sich Zeit lassen soll und sich kleine Pausen gönnen darf, und zu Not stehen bleibt und wartet, bis eine der Begleitpersonen zur Hilfe eilt. Bei unserer Gruppe sind drei dabei. Also Sind wir 8 Personen plus 3 Guides die sich aufteilen, so dass einer vor allen anderen geht, der nächste in der Mitte und ein weiterer ganz am Ende.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass wir nicht als geschlossenen Gruppe aufsteigen und ich während all der Zeit wirklich für mich bin.
Ein paar Fakten.
Insgesamt werden ca. 700 Höhenmeter erklommen und anschließend wieder abgestiegen. Am höchsten Punkt auf rund 5100m hat man eine wunderbare Aussicht über die farbigen Berge des Rainbow Mountain.  Wenn man nicht gerade das Pech hat, und die bunten Farben nicht erkennt, da der Schneefall zu stark ist. Dies soll jedoch nur sehr selten vorkommen.
Also passiert es doch nicht ausgerechnet heute, oder ?!




Der Weg ist technisch nicht besonders anspruchsvoll, er führt durch ein Tal hinauf bis zum Bergkamm, ohne große Hindernisse.
Die Höhe ist für den ein oder anderen eine Herausforderung, doch ich habe bis auf ganz leichte Kopfscherzen, was auch durch die kurze Nacht hervorgerufen werden kann, keine Probleme und genieße den Aufstieg, beobachte unterwegs wilde Alpaka-Herden beim Grasen und fühle mich sehr lebendig.
Unterwegs treffe ich immer wieder auf Mulis, die dich gegen einen stolzen Preis auf den Gipfel bringen. So kann ich sagen, dass dieses Erlebnis für jeden machbar ist.
Der Nebel hängt tief und die Sichtweite ist eingeschränkt, die Luft wird dünner und das Ziel kann nur erahnt werden. Aber mir kommen schon einige Leute entgegen, die sich schon wieder auf dem Rückweg befinden, reden einem gut zu und ermutigen einen, es sei gleich geschafft. So bewege ich mich ganz langsam, Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug vorwärts und tatsächlich, etwas außer Atem und mit einer Nebelwand vor meinem Gesicht, erreiche ich den Gipfel.



Nun bin ich also Oben angekommen und sehe nichts. Ich denke mir noch, dass allein die Erfahrung unvergessen bleibt, doch kurze Zeit später lichtet sich der Schleier und weiß gepuderte, bunte Spitzen werden sichtbar.
Ich kann mein Glück kaum fassen und dieser Anblick brennt sich in mein Gedächtnis ein. Wahrhaftig wie ein bunter Regenbogen ragt dieser unglaublich schöne Berg zwischen all den dunklen, teilweise mit schneebedeckten Felsen, hervor.





Nach einer gewissen Zeit zum verschnaufen und um unzählig geschossenen Bildern, bin ich bereit für den Rückweg. Der Wind peitscht mir unangenehm ins Gesicht und ich entschied mich spontan dazu eine andere Route zurück zu gehen. Die Wanderung durch das Red Valley war die beste Entscheidung überhaupt! Denn in dieser wundervollen und einzigartigen Landschaft konnte ich nahezu ungestört genießen und von dem Ansturm, der ab Mittag noch größer werden sollte, war hier nichts zu merken. Der Aufstieg zum Rainbow Mountain war wunderschön, aber ich wäre enttäuscht gewesen, wenn ich nicht auch noch dieses Spektakel der Natur gesehen hätte.

Das Red Valley ist definitiv ein war ein weiteres eigentliches Highlight. Die Landschaft ist traumhaft, die Einsamkeit, die bunten Farben, die Weite…
Ich muss gestehen, es war unglaublich anstrengend, der Weg war weit, die Höhe geht nicht spurlos an einem vorbei, aber bei jeder Pause in der ich mich umschaue und mir bewusst mache, wo genau ich mich befinde, ist es das wert. Zumindest mir ging es so.

 

Wieder am Fuß des Berges angekommen, gab es noch traditionelles Essen aus der Region, bevor wir die Heimfahrt antreten, die ich trotz Geholper einfach komplett verschlafen habe.

An diesem Abend werde ich gut schlafen.
Ich bin stolz auf mich, dass ich mich überwunden habe, dass ich es durchgezogen hab, dass ich nicht den Mut verloren habe und dass ich es mit eigenen Augen sehen durfte.
Ich bin aber auch erschöpft, war es doch eine große Herausforderung und hat mich einiges an Energie und Überwindung gekostet.
Ich bin dankbar, für meinen gesunden Körper und dass die Höhe für mich kein all zu großes Problem darstellt.